Es gibt viele gute Gründe, mit dem Training der japanischen Kampfkünste und natürlich mit dem Training in der Katori Shinto-ryu zu beginnen. Eventuell ist man von den Geschichten der Samurai beeindruckt und möchte ihnen und ihrer Kultur näher sein und mehr über sie lernen. Vielleicht ist man einfach an alten Schwerttechniken interessiert oder an anderen Waffentechniken. Vielleicht sucht man auch einfach nur ein Hobby, das irgendwas mit Japan zu tun hat und da kommt Kampfkunst gerade richtig. All das sind zwar legitime Gründe, mit dem Training anzufangen, aber sie kratzen nur an der Oberfläche worauf wirklich abgezielt wird.
Äußerlich betrachtet ist Shinto-ryu einfach eine Schule der Kriegsführung die verschiedene Waffentechniken, Methoden und Strategien des Kampfes lehrt. Ziel und Zweck des Trainings scheinen wohl das erlernen des Waffenhandwerks gewesen zu sein so das man auf den Schlachtfeld und im Alltag wenn nötig sein eigenes Leben schützen und einen Sieg nachhause bringen konnte.
Diesen Zweck kann Shinto-ryu erfüllen, doch die eigentlichen Ziele der Kampfkunst sind ganz andere. “Heiho wa Heiho nari” heißt es im Mokuroku der Shinto-ryu. Dies ist ein Wortspiel da hier zweimal das Wort Heiho benutzt wird. Aber jeweils mit anderen Schriftzeichen, die eine andere Bedeutung haben:
兵法 [Heiho], Die Kunst des Krieges
平法 [Heiho], die Kunst des Friedens
Übersetzt bedeutet diese Lehre also: “Die Kunst des Krieges wird zur Kunst des Friedens”. Endgültiger Sinn und Zweck des Trainings ist es den Frieden zu wahren und wenn nötig wieder herzustellen.
Im Tenshin Shoden Katori Shinto Ryu Budo Kyohan, geschrieben von Yoshio Sugino und Kikue Ito findet man darüberhinaus noch einige weitere Ziele der Schule ausformuliert.
Im Vorwort des 19.Soke Kinjiro Iizasa erwähnt dieser das es seit je her das Ziel der Shinto-ryu war bescheidene Menschen auszubilden die das Schwert als ihr eigenes Leben betrachten. Dieser Satz ist vielleicht beim ersten Durchlesen schwer zu verstehen, aber mit ein wenig Kenntnis der japanischen Sprache lässt er sich ausführlicher erklären. “Das Schwert als ihr eigenes Leben betrachten” ist in diesem Fall eine Redensart, die ausdrücken soll, dass alle Sachen im Leben ernst genommen werden sollen und nichts nur halbgar angehen darf. Schüler der Shinto-ryu sollten also nach Bescheidenheit und Ernsthaftigkeit im Leben streben.
Ein weiteres wichtiges Ziel des Trainings ist das Polieren(Migaku) von Körper und Geist. Man lernt seinen Körper zu kontrollieren, ihn zu stärken und den Umständen entsprechend richtig zu bewegen und dadurch auch gesund zu bleiben. Im Training mit dem Lehrer und den Mitschülern lernt man sich seinen Ängsten zu stellen und kämpferischen Mut zu entwickeln. Später, wenn man selbst fortgeschritten ist, muss man dann lernen, Selbstlos mit anderen zu üben, ihnen gegenüber sein eigenes Herz zu öffnen und sich entsprechend den Fähigkeiten seiner Partner wenn nötig zurückzunehmen und ihnen damit zu helfen, selbst Fortschritte zu machen. Genauso wie es aber auch in anderen Fällen nötig ist, Druck zu machen und sie zu fordern. Körper und Geist müssen also im Training gestärkt und ausgebildet und in Harmonie miteinander gebracht werden. Der deutsche Shibucho des Sugino Dojo Ulf Rott hat hier auch den Wortlaut “Körper und Geist mit dem Schwert schleifen” geprägt.
Darüber hinaus gibt es auch religiöse bzw. spirituelle Ziele, die für Europäer vielleicht etwas schwerer zu verstehen sind. Eins dieser Ziele ist es, den Katori Daijin, Futsunushi no Mikoto selbst als Mensch auf der Erde zu verkörpern. Auch dient das Training des Budo im Allgemeinen als Dank gegenüber Kami und Tenno.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass das Ziel der Katori Shinto-ryu weit mehr ist als nur simple Kampftechniken zu lehren. Es geht darum, ehrliche, ernsthafte, aber auch bescheidene Menschen auszubilden, die nach Frieden streben und dafür bereit sind, Körper und Geist für den Rest des Lebens weiterzuentwickeln.