Meine Mutter

Heute war die Beerdigung meiner Mutter. Eva Leonhardt, geboren Esemann wurde am 17.06.1968 geboren und starb am 04.03.2023. Sie war Tochter von Regina Esemann und Schwester von Udo Esemann.

Ich möchte daher ein wenig über sie schreiben. In meiner Erinnerung war meine Mutter nie eine Frau die gut darin war ihre Gefühle auszudrücken. Das ist wohl eine Charaktereigenschaft, die ich von ihr geerbt habe. Oftmals tragen wir unser Gesicht ausdruckslos, unbeeindruckt, wie eine Maske. Und doch spielt sich dahinter so viel ab.

Meine Mutter hat sich oft selbst als Rabenmutter bezeichnet. Vielleicht gerade, weil sie ihre Gefühle nicht so gut ausdrücken konnte mir gegenüber. Ich habe Sie jedoch nie als solche wahrgenommen. Nein, ganz im Gegenteil. Auch wenn meine Mutter und ich uns gestritten haben oder ich sie zu streng mir gegenüber wahrnahm, war mir klar, dass Sie mich geliebt hat.

Als jemand der mit einem Herzfehler geboren wurde hatte sie immer darauf geachtet, dass ich jeden nötigen Arzttermin wahrnahm. Sobald ich Erwachsene Zähne bekam, sah sie zu das diese mit Emaile versiegelt wurde, dass auch ja keine Karies mein Herz angreifen konnte. Etwas wovon ich noch heute profitiere. Lebhaft erinnere ich mich noch als sie sich mit einem BVG-Mitarbeiter gestritten hatte. Ich sollte auf die Realschule gehen und dazu war es ab dann nötig einen BVG Abo Ausweis für eine Schülerkarte zu bekommen. Meine Grundschule war 5 Minuten von meinem Zuhause entfernt, daher war es zuvor nie nötig gewesen für mich ein Monatsticket zu haben. Der BVG-Mitarbeiter wollte mir eine solche Karte jedoch nicht ausstellen, da ich ja noch gar keinen Schülerausweiß von meiner Realschule zeigen konnte. Den bekam ich erst nach Beginn des Schuljahres. Dieser Zustand, die ersten paar Tage ohne gültige Monatskarte zur Schule zu fahren, bis ich den Ausweis bekam war für meine Mutter nicht akzeptabel. Und sie stritt sich eine gute halbe Stunde mit dem BVG-Mitarbeiter, bis er klein beigab.

Und auch wenn sich meine Mutter immer für mich eingesetzt hat, hat sie mich gleichzeitig auch zur Selbstständigkeit erzogen. Ich wollte im Alter von 13 mit der Kampfkunst Aikido beginnen. Meine Mutter hatte nichts dagegen. Jedoch sollte ich das alles allein machen. Selbst zum Probetraining fahren, mit den Leuten dort reden und den nötigen Papierkram erledigen (abseits, von was ihre Unterschrift benötigte). Das hatte mich damals recht viel Überwindung gekostet, aber ich bin dankbar von ihr so ins kalte Wasser geschubst wurden zu sein.

Meine Mutter hatte als Altenpflegerin gearbeitet. Das allein ist schon ein Knochenjob, der viel zu wenig bezahlt wird. Jedoch was bei ihr noch dazu kam, war das sie auf der Station für Demenzkranke. Manchmal habe ich sie nach der Schule abgeholt, wenn ihre Schicht zu Ende war, um zusammen mit ihr die Einkäufe zu erledigen. Das Seniorenheim roch immer steril nach Krankenhaus, war grau und öder. Das eine mal kam ich auf ihre Station, wo sie gerade in der Raucherecke mit einer Kollegin saß und auf mich wartete. Im Hintergrund hörte ich eine Frau rufen „HILFE, HILFE wo bin ich denn?“. Meine Mutter und ihre Kollegin versicherten mir ich solle mir keine Sorgen machen, das sei leider so. Die Frau würde alle fünf Minuten vergessen, wo sie sei. Dies war der Arbeitsalltag meiner Mutter.

Meine Mutter war eine sehr starke Person. Jahrelang übte sie ihren Beruf mit Leidenschaft aus. Oftmals erzählte Sie mir über die Bücher, die sie betreffs Weiterbildungen und Seminaren gelesen hatte, wie man am besten mit Demenz erkrankten Personen umgehen muss. Das Sie oftmals geistig in der Kindheit zurückversetzt seien und dass man viel Empathie zeigen muss. Auch wenn die Patienten wütend und beleidigend wurden, durfte man das nicht persönlich nehmen. Schließlich seien diese Menschen auch nur leidend, verwirrt und hatten Angst. Einmal erzählte sie mir sogar das Sie mit dem Gedanken spiele türkisch zu lernen. Um besser Patienten türkischer Herkunft pflegen zu können. Aber auch die Stärkste Person bricht unter zu viel Druck und meine Mutter erkrankte an Burnout zum Ende hin.

In ihrer Freizeit malte meine Mutter gerne Window-Color Bilder, die Fenster unserer Wohnung waren eine Zeit lang immer mit ihnen zugeklebt. Darunter ganz viele Delfine. Delfine waren ihre Lieblingstiere, weil sie so klug waren und süß aussahen. Meine Mutter hatte eine tiefsitzende Faszination mit Ägypten und ägyptischer Mythologie. Sie reiste zweimal dort hin, um die Sphinx und Pyramiden zu sehen. Sie hatte ein großes Herz, sie nahm meinen Stiefbruder wie ihr eigenes Kind auf und kümmerte sich mit Ganzen Herzen um die Hunde die sie sich mit ihrem Ehemann zu gelegt hatte.

Sie war streng mit mir, ließ mich aber immer meinen Weg gehen und hatte immer ein offenes Ohr für mich. Manchmal war ihr Rat aber auch merkwürdig.

Ich vermisse meine Mutter, ich hoffe sie ruht nun in Frieden.