Wenn man mit dem Training des Katori Shintō-ryū beginnt, lernt man, dass man sich oft verbeugt. Im japanischen Rei[礼]. Man verbeugt sich beim Trainingsbeginn, man verbeugt sich, wenn man mit einem neuen Partner trainiert, und man verbeugt sich auch, wenn man das Dōjō betritt.
Aber warum tut man das eigentlich? Das ist eine interessante Frage und es gibt darauf mehr als nur eine Antwort.Oberflächlich ist es einfach die kulturelle Form, sich gegenüber den Personen, die schon im Dōjō sind, zu grüßen. In Situationen wo man sich im Westen die Hand gibt, verbeugt man sich halt in Japan. So gesehen ist das Verbeugen beim Betreten und Verlassen des Dōjō das Begrüßen und Verabschieden gegenüber den Leuten, die sich schon bzw. die sich noch im Raum befinden.
Die Bedeutung des Ganzen in einem traditionellen Dōjō geht jedoch noch etwas tiefer. Der Begriff Dōjō kommt ursprünglich aus dem Buddhismus und bezeichnet eine Meditations- und Gebetshalle innerhalb eines Tempels. Wörtlich übersetzt bedeutet es “Der Ort des Weges”. Dr. Hall schreibt dazu sogar:
“This term[dōjō] originally referred to the ground under the bodhi tree where Buddha was seated at the time of attaining enlightenment. It later came to mean a holy place of learning and practicing the way.” (Hall 81)
Die Kriegskünste waren schon immer eng mit religiöser und spiritueller Praxis verbunden. So wurde spätestens seit der Edo-Periode im Dōjō eines Samurai nicht nur meditiert, sondern auch Bujutsu, bzw. Budō, “Der Weg des Krieges” geübt.
“From time immemorial the place where the teachings of Buddha were learnt was called the dōjō; but bit by bit the place bujutsu was learnt was also called the dōjō.” – (Sugino and Itō 43)
Die Samurai sahen das Dōjō als einen heiligen Ort an, weil es für sie tatsächlich ein heiliger Ort war.
“Wherever you are[to practice], there is a sacred dōjō, because every training place is sacred.” – (Sugino and Itō 44)
Daher verwundert es einen nicht, dass es in den meisten Dōjō in Japan kleine Schreine gibt, die verschiedenen Kami/Göttern gewidmet sind. Daher verbeugt man sich im traditionellen Dōjō nicht nur zu den Lehrern, Fortgeschrittenen und Mitschülern, wenn man es betritt, sondern auch gegenüber den Kami des Dōjō.
In diesem Sinne schreiben auch Yoshio Sugino- und Kikue Ito-sensei im Budō-Kyōhan:
“On the honorary place of the dōjō,[…] a shrine is installed” – (Sugino and Itō 43)
In unserem eigenen Dōjō nutzen wir dafür ein Ofuda vom Katori-Schrein, welcher Futsunushi no Mikoto gewidmet ist. Die Gottheit, die unsere Kampfkunst inspiriert hat.
Ich möchte aber klar und deutlich sein: Niemand ist verpflichtet Buddhist oder gar Shintoist zu sein oder zu werden, um Katori Shintō-ryū zu üben. Man muss nicht an irgendwelche Götter glauben. Aber man muss den Ritualen unserer Tradition folgen. In diesem Sinne steht Futsunushi nicht für irgendeinen uns nicht greifbaren Gott oder Geist, sondern für die Tradition an sich. Wir verbeugen uns vor dem Gründer Iizasa Ienao, seinen Nachfolgern, unseren Lehrern und den Lehrern unserer Lehrer, deren Erbe wir antreten dürfen. Wir verbeugen uns vor allem die harte Arbeit und Leidenschaft, die sie ins Training gesteckt haben, um uns diese Tradition zu übermitteln.
Noch abstrakter kann man das Verbeugen auch als Ritual ansehen, den stressigen Alltag hinter sich lassen. Man betritt eine besondere Welt, einen besonderen Ort an dem man voller Achtsamkeit an sich selbst arbeitet, seinen Körper kennenlernt und in einem sicheren Rahmen übt, mit Gewalt und Aggression umzugehen.
Im Budō Kyōhan finden wir auch ganz simpel, sobald man das Dōjō betritt beginnt das Training:
“Budō training begins with rei and ends with rei.” – (Sugino and Itō 43)
Deswegen verbeugt(Rei[礼]) man sich, wenn man das Dōjō betritt und es wieder verlässt.
Quellen:
Hall, David A. 2012. Encyclopedia of Japanese Martial Arts. N.p.: Kodansha USA.
Sugino, Yoshio, and Kikue Itō. 2016. Teachings of the Tenshin Shōden Katori Shintō Ryū. N.p.: Lulu Press, Incorporated.